Neuigkeiten

Cui bono Panoramafreiheit?

Freitag, 10. Juli 2015

Das EU-Parlament stimmte in seiner Sitzung am 09. Juli 2015 mit großer Mehrheit gegen einen Änderungsantrag zur sogenannten Panoramafreiheit, für den zuvor im Rechtsausschuss mit den Stimmen von Christ-, Sozialdemokraten und einer “Liberalen” votiert wurde. Danach hätte die Zurschaustellung von verschiedensten Gebäuden, Skulpturen oder ähnlichen Gebilden auf bestimmten Plattformen im Internet (z. B. Schüler VZ) nur mit Zustimmung der Architekten, Künstler oder Rechteverwalter erfolgen dürfen. Das fehlende Initiativrecht des Europäischen Parlaments bewahrt die EU jedoch vorerst vor schwerwiegenden Änderungen bezüglich des Verhaltens von Touristenhorden auf dem gesamten Kontinent.

Mit der Einbringung eines Gesetzes vonseiten der EU-Kommission ist frühestens im Herbst zu rechnen. Zeit genug sich der Folgen einer potentiell ausgeweiteten Panoramafreiheit bewusst zu werden.

Die einseitige Berichterstattung über das Thema deutet darauf hin, dass hier eine Art Kasperletheater als Ablenkungsmanöver inszeniert werden soll. Die nicht abschätzbaren Folgen einer europaweit einheitlichen Regelung zur Panoramafreiheit motivieren uns eine entschiedene und (außer gegen Geld) unverrückbare Position zu beziehen.

Die gesamte Debatte vernachlässigt die vorherrschende soziale Ungerechtig keit in der EU, der mit der Neuregelung der Panoramafreiheit ein Riegel vorgeschoben würde. Weitreichende Einschränkungen bei der Veröffentlichung von aufgenommenen Bildern würden dem sozialnetzwerklichen Zwang zum Globetrotter(ror)ismus Einheit gebieten. Selfiesticks, massive Stative oder ähnliche Photoausrüstung gehörten der Vergangenheit im Stadtbild an. Die Unfallquoten im Straßenverkehr würden auf das Niveau von 1950 zurückgehen.

Angestrebte Regelungen wonach das heute verwendete urbane Kriegsgerät auch als solches zu deklarieren sei, verbunden mit Einfuhrgenehmigungsverfahren für aus dem Ausland (China) eingeführte Waren, könnten luizide Träume bleiben. Mobbing aufgrund hoch geladener Bilder von mittlerweile nicht mehr attraktiven Reisezielen würde ausbleiben. Auch aus umwelt-politischen Gesichtspunkten wäre die Änderung erstrebenswert, da Reisen um den halben Globus vermieden würden, die nur darauf abzielen ein Selbstpotrait vor einem Bauwerk, das ohne Aufwand im Internet bestaunbar ist, zu schießen.

Falls sich bei der Evaluation des Gesetzes herausstellen sollte, dass eine Überprüfung sämtlicher im Internet veröffentlichter Photographien samt strafrechtlicher Verfolgung nicht möglich ist, könnten Urheberrechtsverletzungen auch auf anderem Wege vermieden werden. Der Abriss der betreffenden Gebäude und die damit verbundene Erschließung neuer Baugrundstücke für Wohnflächen, Tiefgaragen und Shoppingmalls, könnte ein Stück Lebensqualität zurück in die stetig wachsenden Ballungsgebiete bringen.

Chris Schiller
Generalsekretär des Landesverbandes Berlin